1. Göttinger Workshop zur Literaturtheorie, 27.05.2005 |
"Nichts komischer
als eine Theorie des Komischen - wer zu diesen Worten auch nur andeutungsweise
mit dem Kopf genickt hat, ist bereits gerichtet", schreibt Robert
Gernhardt in Was gibts denn da zu lachen?[2]
Ähnliches gilt natürlich auch für eine performative Theorie des Komischen -
allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Auf die Feststellung:
"Nichts performativer als eine performative Theorie des Komischen",
wird man vermutlich vergeblich auf andeutungsweises Kopfnicken warten. Statt
dessen verständnisloses Kopfschütteln: Performativ? Muß das sein? Es muß.
Performativität ist zum
Schlüsselbegriff für ein Bündel kulturwissenschaftlicher Herangehensweisen
geworden - von der Ethnographie über die Gender Studies bis hin zu den
Theaterwissenschaften. Zugleich ist das Performative nach wie vor ein terminus
technicus der Linguistik und der pragmatischen Sprachphilosophie. Die
Mehrdeutigkeit des angelsächsischen Ausdrucks performance hat zu dazu
geführt, daß sich die verschieden Verwendungsweisen des Performanzbegriffs
überlappen. Performativ kann sich auf die Gelingensbedingungen von
Sprechakten, auf die medialen Verkörperungsbedingungen von Äußerungen oder aber
auf die Inszenierungsbedingungen im Rahmen von Theateraufführungen beziehen.[3]
Austin führt in How
to do things with Words den Begriff des performative ein, um eine
Klasse von Sprachverwendungen zu bezeichnen, bei denen durch das Äußern
bestimmter Worte conventional procedures vollzogen werden.[4]
So beim "Jawort" der Eheleute vor dem Standesbeamten oder dessen
Vollzugsformel: "Hiermit erkläre ich Euch zu Mann und Frau". Mit dem
kommissiven Jawort versprechen sich die Eheleute ewige Treue. Der deklarative
Sprechakt des Standesbeamten bewirkt Kraft seines Amtes, daß sich die Eheleute
nach dem Aussprechen der Trauformel im Zustand der Ehe befinden. Performatives
sind konventionalisierte Sprachspiele mit explizit "vertraglichem
Charakter".[5]
Ihre kommunikative Bedeutung leitet sich aus dem wechselseitig vorausgesetzten
Wissen um bestimmte essentielle "Gelingensbedingungen" ab, die an die
Stelle der "Wahrheitsbedingungen" treten. Die Gelingensbedingungen
betreffen sowohl die intentionalen als auch die institutionellen
Rahmenbedingungen. Für das "glückliche" (happy) Vollziehen
von performativen Äußerungen muß es nach Austin "ein übliches
konventionales Verfahren (accepted conventional procedures) mit einem
bestimmten konventionalen Ergebnis (a certain conventional effect)
geben".[6]
Dabei ist nicht nur ausschlaggebend, daß die Form des Vollzuges
"richtig" ist, sondern auch, "daß die Umstände unter
denen die Worte geäußert werden, in bestimmter Hinsicht oder in mehreren
Hinsichten passen".[7]
Im Gegensatz zu dieser
funktionalen Bestimmung, kann sich der Performanzbegriff aber auch auf die
phänomenale Tatsache beziehen, daß etwas als Äußerung verkörpert wird. Chomsky
führt zu Beginn seiner Aspekte der Syntax die Differenzierung zwischen competence
und performance ein, um die "Kenntnis" eines Sprecher-Hörers
vom "aktuellen Gebrauch" der Sprache in konkreten Situationen zu
unterscheiden.[8]
Die Kompetenz als allgemeines "Kenntnissystem" bestimmt die Form der
Sprache. Die Performanz ist die sprachliche Verkörperung dieses Kenntnissystems
in einem bestimmten Anwendungsfall.
Während für die
generative Linguistik und die pragmatische Sprachphilosophie die Untersuchung des
Äußerungtyps im Zentrum steht,[9]
fokussieren die ritualtheoretischen und theaterwissenschaftlichen Ansätze
Performativität unter dem Gesichtspunkt der Inszenierungs- und
Verkörperungsbedingungen. Performativität wird zum Sammelbegriff für alle
Vorgänge "einer Darstellung durch Körper und Stimme vor körperlich
anwesenden Zuschauern", deren Einzelaspekte die Inszenierung als
spezifischer "Modus der Zeichenverwendung", die Korporalität
als "Faktor der Darstellung bzw. des Materials" und die Wahrnehmung
durch den Zuschauer sind.[10]
Betonen die kulturwissenschaftlichen Ansätze der Performanztheorie - allen
voran die Theatralitätsforschung - daß es gerade auf die korporalen Aspekte der
Verkörperungsbedingungen ankommt,[11] so
liegt die immer wieder beklagte Schwäche der Sprechakttheorie darin, den
"korporalen Aspekt" von Sprechakten, wenn überhaupt, nur als
kontingentes Moment in Betracht zu ziehen. Im Rahmen der Sprechakttheorie
besitzt die Äußerungsqualität für das Verstehen der Äußerungsbedeutung keine
Relevanz, da jede Äußerung als abgeleitetes Token eines Sprechakttyps
interpretiert wird.[12] Der
Sprechakt gelingt, wenn das Token als korrekte Ausführung eines durch
seine Gelingensbedingungen bestimmten Types identifiziert werden kann.
Dies führt zu der bereits bei Austin angelegten und von Searle noch
radikalisierten Fokussierung der "illokutionären Kräfte" von
Sprechakten und zur Vernachlässigung der rhetorisch-perlokutionären sowie der
semiotisch-materialen Aspekte von Äußerungen. Letzteres ist insofern
bemerkenswert, als sich eine Untersuchung der Verkörperungsbedingungen bereits
bei Peirce findet, auf dessen Unterscheidung von Type und Token
sich Searle erklärtermaßen stützt:[13] Nach
Peirce sind unsere Äußerungen "nur Annäherungen an das, was wir
übermitteln wollen. Ein Ton oder eine Geste sind meist der bestimmteste Teil
dessen, was gesagt wird".[14] An
anderer Stelle definiert Peirce die Tone als qualitativen Aspekt jener
Anwendungsfälle (Token), die ihrerseits aus einem allgemeinen Type
abgeleitet sind.[15]
Die Relevanz des tonalen Aspekts von Sprechakten wird auch von Bachtin betont,
der schreibt:
"Solche
Sprachphänomene wie Befehle, Forderungen, Vorschriften, Verbote, Versprechen
(Eide), Drohungen, Lob, Verweis, Mißbrauch, Flüche, Segnungen und so weiter,
enthalten einen sehr wichtigen Teil außerkontextueller Realität. Sie sind alle
mit einer scharf ausgedrückten Intonation verbunden, die auch auf Worte
übertragbar ist, die nicht direkt die formale Definition eines Befehls, einer
Drohung etc. haben. Wichtig ist der Ton, der von phonetischen und
semantischen Elementen des Wortes (und anderer Zeichen) ausgelöst wird".[16]
Der Ton betrifft zum
einen den stilistischen Ton, zum anderen die tonale Äußerungsqualität. In
beiden Fällen können aus der Token-Tone-Relation Informationen
erschlossen werden, die weder aus dem propositionalen Gehalt noch aus der
illokutionären Rolle der Äußerung ableitbar sind.[17]
Welche Konsequenzen es hat, diese tonalen oder korporalen Aspekte auszublenden,
zeigt sich an Searles Beispiel vom German Officer, das er in seinem
Aufsatz "Was ist ein Sprechakt?" gibt.[18]
Ein Amerikaner wird
während des zweiten Weltkrieges von einem Italiener gefangengenommen und
versucht nun sich als Deutscher auszugeben, um der Gefangenschaft zu entgehen.
Eigentlich würde er gern sagen, daß er ein deutscher Offizier ist, allerdings
kann er weder Deutsch noch Italienisch. Deshalb äußert er den einzigen Satz,
den er auf deutsch kennt: die Gedichtzeile "Kennst du das Land, wo die
Zitronen blühn?" Searles Beispiel zielt darauf ab, die Inkonsistenz des
Griceschen Bedeutungsmodells zu belegen, wonach ein Sprecher einem Hörer seine
Intention "ostentativ" zu verstehen gibt. Im Gegensatz zu Searles
konventionalistischer Gebrauchstheorie, gründet das Gricesche Bedeutungskonzept
auf der These, daß eine Äußerung nur durch den ostentativen Hinweis des
Sprechers auf ihre Intentionalität eine Äußerungsbedeutung erhält.[19]
In Searles Beispiel möchte der Amerikaner nun aber gerade nicht, daß der
Italiener seine Intention erkennt, die darauf abzielt, den Italiener
"Glauben zu machen", er, der Amerikaner, sei ein deutscher Offizier.
Signifikanterweise läßt Searle in seinem Beispiel die semiotisch-tonalen
Aspekte der Äußerung und der Äußerungsumstände vollkommen außer Acht und das,
obwohl der Amerikaner mit seiner Rezitation der Zeile "Kennst du das Land,
wo die Zitronen blühn?" eigentlich nur die tonale Äußerungsqualität seiner
Worte als "gepflanztes Symptom" dafür gebrauchen will, daß man ihn
für einen deutschen Offizier hält. Das Ausblenden der Verkörperungsbedingungen
betrifft aber auch noch einen zweiten "korporalen Aspekt", nämlich
die Frage, was für eine Uniform der amerikanische Soldat trägt.
Naheliegenderweise muß man annehmen, daß der amerikanische Soldat mit einer
amerikanischen Uniform bekleidet ist - trüge er nämlich eine deutsche, warum
sollte ihn der Italiener gefangen nehmen wollen? In einer amerikanischen
Uniform wird es dem Soldat jedoch recht schwer fallen, glaubhaft vorzutäuschen,
er sei ein Deutscher. Der Amerikaner muß den Italiener nämlich nicht nur davon
überzeugen, daß er Deutscher ist, sondern auch eine Erklärung dafür finden,
warum er "als Deutscher" in einer amerikanischen Uniform
herumspaziert. Aber wie soll er das tun, wo er doch kein Italienisch spricht?
Damit Searles Beispiel funktioniert, bleibt keine andere Möglichkeit als
anzunehmen, daß der amerikanische Soldat keine Uniform trägt. Demgemäß
müssen wir uns Searles´ Beispiel so vorstellen: Ein nackter amerikanischer
Soldat versucht einen (angezogenen) italienischen Soldaten, der ihn gefangen
nehmen will, davon zu überzeugen, daß er ein (nackter) deutscher Offizier ist,
weil er "Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn" rezitiert. Eine
Szene, die ohne weiteres als Monty Python-Sketch durchgehen würde und damit die
Frage nach dem Verhältnis von Sprechakttheorie und Komiktheorie aufwirft.
In diese Richtung weist
Soshana Felmans Untersuchung "The Literary Speech Act", in der sie
Austins Vorlesungen als angewandte Humortheorie interpretiert. Nach Felman
führen Austins Vorlesungen einen "excess of utterance" vor:
einen Überschuß des Äußerungsereignisses über die Äußerungsbedeutung.[20]
Dieser "excess of utterance" kann - wie etwa in Searles Beispiel vom German
Officer - als unfreiwillig komische Auflehnung der Verkörperungsbedingungen
gegen die Gelingensbedingungen betrachtet werden: gewissermaßen als performatives
Körperdrama des Zeichens.[21] Er
kann aber auch als "performativer Widerspruch" verstanden werden, der
in eine "pleasure in scandal" mündet.[22] Fast
alle Formen der Komik verdanken sich der Tatsache, daß jedes Sagen immer
auch ein Machen ist und daß diese beiden Ebenen in Widerspruch
zueinander geraten können. Zudem ist absichtlich erzeugte Komik ein Sagen,
das darauf abzielt, jemanden lachen zu machen.
Für Felman sind Austins Vorlesungen
How to do things with words hervorragendes Beispiel für die Inszenierung
eines komischen "excess of utterance", da sich das, was Austin in
seinen Vorlesungen theoretisch über Sprechakte sagt, und das, was er im Rahmen
seiner Vorlesungen tut, widerspricht.[23] Die
"performative" und die "konstative" Perspektive seiner
Untersuchung stellen sich wechselseitig "sublim in Frage".[24]
Dabei geht es nicht allein um die Diskrepanz zwischen der performativen und der
konstativen Ebene, sondern auch um den Widerspruch zwischen dem
Theorieversprechen, das Austin im Rahmen seiner Vorlesungen immer wieder gibt
und dem ständigen Unterlaufen dieses Versprechens durch das, was Austin im
Rahmen seiner Vorlesungen tut: Eine Einladung dafür zu geben, die gerade
entwickelte Theorie im nächsten Moment zu verlachen. Diese "invitation to
the pleasure of scandal"[25] kann
man als "performativen Widerspruch" werten, man kann sie aber auch
als einen Versuch betrachten, die Zuhörer und Leser durch das Verlachen der
Sprechakttheorie zu deren Komplizen zu machen. Eben hierin liegt die
diabolische Rhetorizität von How to do things with words, welche weder
von Derridas noch von de Mans Dekonstruktionsversuchen als
rhetorisch-performative Strategie in Betracht gezogen wurden - von Searle, dem
selbsternannten Nachlaßverwalter der Sprechakttheorie, ganz zu schweigen.[26]
Aus Felmans Perspektive
wird die Theorie des Performativen - verklammert durch Austins
"diabolischen Humor" - zu einer Theorie des Komischen. Austins Humor
kostet die Fallhöhe zwischen zwei Ebenen aus: der theoretischen Ebene,
auf der er die Gelingensbedingungen expliziter performativa untersucht
und der theatralen Ebene, auf der er das Scheitern seiner Untersuchung als performance
inszeniert:
"Austin's humor is the humor of the fall - a
humor that is closely tied to the performative, since falling is an act:
the act, indeed, in so far as it is a failure - the very prototype of the act
manqué".[27]
Dies zeigt sich auch an
der Politik der Beispiele, anhand derer Austin die Gelingensbedingungen
von Sprechakten zu bestimmen versucht. Er nähert sich der Frage des richtigen
Vollzuges von performativen Akten auf dem indirekten Weg der Beschreibung jener
Fälle, "in denen etwas schiefläuft".[28]
Die Sprechakttheorie gewinnt ihre Thesen mithin aus der Untersuchung von
absichtlich oder unabsichtlich herbeigeführten "Unglücksfällen".[29]
Absichtlich verunglückte Sprechakte stellen einen Fall von
"Mißbrauch" (abuse) dar,[30] der
hinter der Maske einer scheinbar erfüllten Konvention eine andere intentionale
Strategie verbirgt. Unabsichtlich auftretende Unglücksfälle bezeichnet Austin
als "Versager" (misfires); bei ihnen werden bestimmte
notwendige formale oder institutionelle Rahmenbedingungen nicht erfüllt. Die
Tatsache, daß eine Sprechhandlung - etwa der Akt des Heiratens - nichtig (void)
oder unwirksam (without effect) wird, zum Beispiel weil einer der
Heiratenden bereits verheiratet ist, heißt allerdings nicht, "daß man gar
nichts getan hat",[31] wenn
man die Heiratszeremonie vollzieht. Konventional unwirksam (without effect)
bedeutet nicht "ohne Folgen, ohne Ergebnisse, ohne Konsequenzen".[32]
Im Gegenteil: Durch den "Mißbrauch" oder das "Verpfuschen"
von Sprechakten handelt man sich "mehr oder weniger gräßliche Konsequenzen
ein".[33]
So im Fall, daß man den "Akt der Bigamie" begangen hat.[34]
Gleiches gilt für den Fall, daß man - hier tritt der "diabolische
Humor" Austins zu Tage - einen Esel heiratet, um die Institution der Ehe
zu veralbern.[35]
Komisch wird es auch dann, wenn mehrere Unglücksfälle "'shade into one another'
and 'overlap'".[36] Etwa
wenn man einem Esel das nicht ernst gemeinte Versprechen gibt, ihm eine Möhre
zu schenken oder als zufällig vorbeikommender Passant ein Schiff auf den Namen
"Stalin" tauft, mithin als nicht autorisierte Person einen Taufakt vollzieht
und zudem einen falschen Namen verwendet. Noch verwickelter, so Austin in einer
Fußnote, sei es beim Taufen von Babys:
"Wir
könnten es mit dem falschen Namen und dazu dem falschen Priester zu tun haben -
d.h. jemandem, der Babys taufen darf, aber nicht zur Taufe gerade dieses Babys
berechtigt ist".[37]
Austins Taxonomie der
Unglücksfälle wird bekanntlich von Derrida in "Signatur Ereignis
Kontext" einer Grundsatzkritik unterzogen und zwar deshalb, weil Austin
die Möglichkeit des Mißlingens zwar als Krankheit thematisiert, "der alle
[konventionalen] Handlungen ausgesetzt sind",[38]
die Möglichkeit des Mißlingens aber nicht "als wesentliches Prädikat oder als
Gesetz" zuläßt.[39] Das
Scheitern von konventionalen Prozeduren wird lediglich als kontingentes, akzidentielles
Moment im Sinne des "Verunglückens" zugelassen, das heißt als
Abweichung von einer immer schon als gültig vorausgesetzten Norm. Während
Derrida die "metaphysischen Prämissen" der Sprechakttheorie auf den
Kopf zu stellen versucht, indem er fragt: "Was ist ein Gelingen, wenn die
Möglichkeit des Mißlingens weiterhin seine Struktur konstituiert?",[40]
möchte ich im folgenden einen weniger grundsätzlichen, alternativen Weg
einschlagen: Ich möchte der Frage nachgehen, inwieweit die von Austin
angeführte Möglichkeit des Überlappens verschiedener Formen von
Unglücksfällen zur Grundlage einer allgemeinen performativen Theorie des
Komischen werden kann. Dabei soll die Möglichkeit des Überlappens nicht
nur als komische Potenzierung von Unglücksfällen betrachtet werden, sondern
auch als Voraussetzung für jene Synthesen, die sowohl in den älteren als auch
in den neueren Komiktheorien Definiens des Witzes sind. Was aus der Perspektive
der Sprechakttheorie (und der logischen Semantik) als fehlerhaftes "Mißlingen"
bzw. als "Unglücksfall" betrachtet werden muß, erscheint aus der
Perspektive einer performativen Komiktheorie als "überraschendes
Gelingen" - auch wenn für diese Neubewertung ein Rahmenwechsel
vollzogen werden muß.[41]
Kant beschreibt in seinen
Schriften zur Anthropologie den Witz als "eigentümliches
Verähnlichungsvermögen". Er "paart (assimiliert) heterogene
Vorstellungen, die oft nach dem Gesetze der Einbildungskraft (der Assoziation)
weit auseinander liegen".[42] Der
Witz wird, typisch für das 18. Jahrhundert, als "Talent des
Erkenntnisvermögens" gefaßt, das als "produktiver Witz" die
"Originalität des Denkens" ermöglicht. Die witzige Überlappung
erscheint als assoziative Paarung. Freud verweist in der Einleitung
seiner Untersuchung Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten auf den
Unterschied zwischen dem Witz, den man hat, also dem "witzigen
Vermögen", mit dessen Hilfe man Ähnlichkeiten im Unähnlichen findet und
dem Witz, den man macht.[43] Freud
antizipiert damit die performative Dimension des Witzes - genau wie
Wittgenstein, der in seiner berühmten Aufzählung der Sprachspiele neben
befehlen, bitten, danken, beschreiben, Rätsel lösen, übersetzen, eine
Geschichte erfinden auch "einen Witz machen" erwähnt.[44]
Der Witz, den man macht, ist eine sprachliche Inszenierung, eine Witz-Performanz,[45]
die eine Verkörperung des eigenen, originalen, "produktiven Witzes"
sein kann, oder aber die Reproduktion fremden Witzes, also Wiederholung, Zitat,
Rezitation.
Freuds Differenzierung
zwischen Witz haben und Witze machen bezieht sich auf Jean Pauls
Definition des ästhetischen Witzes in der Vorschule der Ästhetik, die
sich bekanntlich der Metapher des Heiratens bedient, mithin das Problem
performativer Akte in die Komiktheorie integriert. Jean Paul beschreibt die Kraft
des ästhetischen Witzes als "verkleidete[n] Priester, der jedes Paar
kopuliert", wobei er hinzufügt: "[er] tut es mit verschiedenen
Trauformeln".[46] Der
Witz als Heirat ist mithin ein performativer Akt, mit dem eine Verbindung
hergestellt wird, auch wenn die Instanz, die diese stiftet als
"verkleideter Priester" nicht dazu "autorisiert" ist. Hier
fällt zunächst die Analogie zu den "sich überlappenden"
Unglücksfällen auf - insbesondere zu dem von Austin erwähnten "falschen
Priester".[47]
Zugleich stellt sich die Frage nach dem Warum dieses prätendierten
performativen Akts: "Warum ist die Verkleidung und die Anmaßung notwendig?
Ist ein verkleideter Priester besser als keiner?"[48]
Schließlich geht es aber auch um das Womit. Um sich als Priester zu
verkleiden, braucht man einen Talar: Doch was ist der Tenor dieser Metapher,
wenn man sie auf den sprachlichen Bereich überträgt? Womit
"kostümiert" sich der Witz als nicht autorisierte Instanz, die sich
eine deklarative Zusammengehörigkeitserklärung anmaßt?
Jean Pauls Definition
des Witzes als "verkleideter Priester" unterhält eine unterirdische
Verbindung zu Kants Begriff der Subreption, den er in der Kritik der
reinen Vernunft ebenso wie in der Kritik der Urteilskraft für eine
bestimmte Form der Verwechslung verwendet: So wenn wir das Gefühl des Erhabenen
in der Natur der Achtung für das Objekt zuschreiben, statt der Achtung
"für die Idee der Menschheit in unserm Subjekte".[49]
Der Begriff der Subreption bezeichnet sowohl einen bewußt fehlerhaften
Beweisschluß, der sich auf Voraussetzungen stützt, die nicht auf Tatsachen
beruhen als auch das unrechtmäßige Erlangen eines Erfolges durch Verschleierung
des wahren Sachverhalts im juristischen Kontext. Im kanonischen Recht steht der
Terminus Subreption für "die betrügerische Erschleichung eines
priesterlichen Amtes".[50] Die Subreption
können wir mit Blick auf Jean Pauls Witzdefinition mithin auch auf jenen
Vorgang beziehen, im Rahmen dessen sich der Priester verkleidet und damit die
Funktion erschleicht, Paare zu trauen. Und wie steht es mit dem Paar, das
getraut werden soll?
Ausgehend von der oben
angeführten Kantischen Definition des Witzes, der zwei heterogene Vorstellungen
"paart", wobei er die Heterogenität als weit auseinanderliegende
Assoziation faßt, kann man feststellen, daß bei Jean Paul die andere Bedeutung
des Assoziationsbegriffs bemüht wird, nämlich die Assoziation als soziale
Vereinigung. So liest man in der Encyclopédie unter dem
Stichwort "Association": "Le plus stable de toutes les associations
est celle qui se fait par le marriage".[51] Die Heirat erscheint als
feste assoziative Kopplung. Das Pendant dieser festen assoziativen Kopplung in
der sozialen Welt sind die Kopula in der sprachlichen Welt: Verbformen,
die eine Verbindung zwischen Subjekt und Prädikatsnomen herstellen. So heißt es
in Jean Pauls Erläuterung der Metapher vom "verkleideten Priester",
die er durch das Beispiel: "Er spitzte Ohr und Feder" verdeutlicht:
"[...]
der ästhetische Schein aus einem gleichwohl unbildlichen Vergleichpunkt
entsteht bloß durch die taschen‑ und wortspielerische Geschwindigkeit der
Sprache, welche halbe, Drittel‑, Viertel‑Ähnlichkeiten zu
Gleichheiten macht, weil für beide ein Zeichen des Prädikats gefunden wird.
Bald wird durch diese Sprach‑Gleichsetzung im Prädikat Gattung für
Unterart, Ganzes für Teil, Ursache für Wirkung oder alles dieses umgekehrt
verkauft und dadurch der ästhetische Lichtschein eines neuen Verhältnisses
geworfen, indes unser Wahrheitgefühl das alte fortbehauptet und durch diesen
Zwiespalt zwischen doppeltem Schein jenen süßen Kitzel des erregten Verstandes
unterhält, der im Komischen bis zur Empfindung steigt".[52]
Die
"Trauformel", mit der der verkleidete Priester die witzige
Vereinigung stiftet, ist die "Sprach-Gleichsetzung im Prädikat".
Seine Verkleidung besteht darin, daß "für beide ein Zeichen des Prädikats
gefunden wird". In Jean Pauls Beispiel: "Er spitzte Ohr und
Feder" wird die metaphorische Wendung "die Ohren spitzen" mit
der wörtlichen Bezeichnung "die Feder spitzen" durch ein Zeugma
verknüpft, das die beiden Verwendungsweisen der Kopula "spitzte"
verkürzend gleichsetzt. Das Wort-Token "spitzte" ist "ein
Zeichen des Prädikats", das beide Verwendungsweisen miteinander in eine
elliptische assoziative Kopplung bringt, so daß sich beide Verwendungsweisen überlappen.
Die Verkleidung des Priesters ist so besehen die mehrdeutige Verwendungsweise
eines Wort-Tokens, das aufgrund seines Gleichklangs darüber
hinwegtäuscht, daß es aus verschiedenen Wort-Types abgeleitet wurde. Der
"verkleidete Priester" ist die mehrdeutige Type-Token-Relation
zweier Worte. Sein Talar ist die Verknüpfung zwischen tonaler Äußerungsqualität
und Wort-Token, die einer semiotisch-semantischen Subreption Vorschub
leisten.
Der "witzige
Betrug", den die Homonymie zweier Wort-Token erlaubt, die in
verschiedenen semantisch-pragmatischen Kontexten verwendet werden können, ist
auch ex negativo möglich, also durch eine Entgegensetzung, die keine
ist. In einer Scherzfrage von Robert Gernhardt wird gefragt:
"Was ist der Unterschied zwischen einer Bierflasche und Gefühlen?
Die Bierflasche muß man aufmachen, und Gefühle muß man zulassen".
Hier wird versucht, dem
Rezipienten weiszumachen, daß "zulassen" das Antonym von
"aufmachen" sei. Tatsächlich ist aber das Antonym von
"aufmachen" "zu lassen". Durch die quasi-homonyme
Ähnlichkeitsbeziehung auf der Ebene der Wort-Token, die durch eine
geringfügige Manipulation (das Zusammenschreiben) erzwungen wird und die
gleichzeitige Inkompatibilität der beiden semantischen Bereiche, entsteht eine
komische Inkongruenz. Die prädikative Trauformel verknüpft die heterogenen
Wertdimensionen "Bierflasche" (niedrig) und "Gefühle"
(hoch), während die manipulative Gleichsetzung von "zulassen" und
"zu lassen" ein "witziger Betrug" ist.
Das Überlappen
zweier Verwendungsweisen läßt sich mit Blick auf Viktor Raskins "Semantic
Theory of Humor" auch als Überlappen zweier semantischer Skripte
fassen. Raskins Hauptthese lautet, daß ein Text dann komisch wird, wenn eine
Textäußerung ganz oder teilweise mit zwei verschiedenen semantischen Skripten
kompatibel ist, die sich vollständig oder teilweise überlappen:
"The two scripts with which some text is compatible are said to overlap
fully or in part on this text".[53] Das Überlappen
zweier Skripte ist jedoch nur die notwendige, nicht die hinreichende Bedingung
für den komischen Effekt. Die zwei Skripte müssen auch in einem besonderen
Oppositionsverhältnis, dem des Widerspruchs oder dem der Ambiguität, zueinander
stehen. Entscheidend ist, wie der Übergang, das Switching vom einen Skript
zum anderen erfolgt. Dem Oppositionsverhältnis fällt die Funktion des
Auslösers, des "script-switch trigger" zu,[54]
während die prädikative Gleichsetzung des Gegensätzlichen die Trauformel des
"verkleideten Priesters" ist. Dabei bewirken die im komischen
Widerspruch zueinander stehenden Skripte eine komische Überlappung der
Deutungsrahmen.[55] Das
heißt, es lassen sich alternative, gleichermaßen kohärente und plausible
Interpretationshypothesen aufstellen, die sich gegenseitig ausschließen.
Mit Blick auf Goffmans Rahmen-Theorie
läßt sich der Deutungsrahmen als "modulierende Transformation"
von Gelingens-, Inszenierungs- und Verkörperungsbedingung begreifen. An die
Stelle von Austins Unterscheidung zwischen "ernsthaften" und
"nicht-ernsthaften" Sprechakten tritt bei Goffman der Begriff des Rahmenwechsels,[56]
der sich auf die Transformationsmöglichkeiten von institutionellen
Rahmenbedingungen, Inszenierungsrahmen und Interpretationsrahmen bezieht. Dabei
gibt es immer auch die Möglichkeit eines Rahmenbruchs,[57]
nämlich dann, wenn etwas "aus dem Rahmen fällt" und deshalb eine Neurahmung
erforderlich macht.[58] Eben
dies scheint auch auf das Komische zuzutreffen: Es fällt aus dem Rahmen und
bewirkt einen Rahmenbruch. Hier stellt sich die Frage, wie der komische
Rahmenbruch ausgelöst wird. Die klassische Antwort lautet: Durch eine
Abweichung von der Norm. So schreibt Gernhardt in seinem "Versuch einer
Annäherung an eine Feldtheorie der Komik", der Komiker lebe "von den
Konventionen, da er von der Regelverletzung lebt".[59]
Allerdings ist die Verletzung von Regeln noch nicht per se komisch: Es
kommt offensichtlich nicht auf das daß, sondern auf das wie der
Regelverletzung an.
Eco argumentiert in
seinem Artikel The Comic and the Rule, daß das Komische in einem
bestimmten sozialen oder intertextuellen Rahmen (frame) oder Kontext die
anerkannten und vorausgesetzten Regeln implizit verletzen muß:[60]
Entscheidend ist, wie es auch in Frames of Comic Freedom heißt, daß das
Durchbrechen der vorausgesetzten Rahmenbedingungen stillschweigend erfolgt:
"the broken frame must be presupposed, but never spelled out".[61]
Die komische Regelverletzung beinhaltet "the prohibition of spelling out
the norm",[62]
und so kann der komische Diskurs nur deshalb funktionieren, weil die Regeln
immer schon vorausgesetzt werden. Komisch wirkt die "unmotivated
violation" von Regeln, die unbewußt verinnerlicht oder stillschweigend
akzeptiert werden.[63] Der
komische Effekt läßt die Regelverletzung erkennen, ohne sie jedoch im Diskurs
explizit zu machen.
Helga Kotthoff kommt in
ihrer Untersuchung Spaß Verstehen nach einer kritischen
Auseinandersetzung mit Raskins skriptbasierter Humortheorie und Goffmans Rahmen-Analyse
zu dem Schluß, daß die Semantik der Witzpointe "auf der Herstellung
einer spezifischen, überraschenden Bisoziation von aufgerufenen Rahmen
[basiert]", wobei ein Rahmen etabliert wird, "der mittels eines
Triggers überraschend gewechselt werden kann".[64]
Zugespitzt formuliert könnte man sagen: Die Pointe verdankt sich sowohl einem
Überlappen von semantischen Rahmen als auch einem überraschenden Rahmenwechsel,
der als mehr oder weniger gewaltsamer Rahmenbruch wahrgenommen wird. Der
komische Rahmenbruch bezieht sich auf die Mehrdeutigkeit von Wort-Token
und auf die Mehrdeutigkeit der tonalen Aspekte von Token wie
der folgende Witz belegt:
"Ist
der Doktor zu Hause" flüstert der Patient mit krächzender
Erkältungsstimme. "Nein" haucht die junge, hübsche Frau des Arztes,
"kommen Sie doch schnell herein".[65]
Bei diesem Witz
überlappen sich das "Doktorskript" und das "Verführungsskript".[66]
Der script-switch trigger ist die Doppeldeutigkeit des Prädikats
"flüstern". Im Rahmen des Doktorskripts ist es die Beschreibung jenes
Symptoms, das der Anlaß für den Arztbesuch ist und wird für den Rezipienten
auch deutlich als solches ausgezeichnet, nämlich durch die Zusatzinformation
"mit krächzender Erkältungsstimme". Der komische Rahmenbruch wird
durch den Deutungsrahmen der "jungen, hübschen Frau des Arztes" in
Szene gesetzt, die das Flüstern nicht als Krankheitssymptom eines Patienten,
sondern als Heimlichkeitsstrategie eines potentiellen Liebhabers deutet. Ihre
mißverstehende Neurahmung der Situation markiert den Moment eines
Rahmenwechsels, der komisch wirkt, weil die gesamte Geschichte eine Umdeutung
erfährt: Nicht ihr Mann, sondern sie wird in diesem Deutungsrahmen zum Grund
des "Arztbesuchs".
Eine sehr grundlegende
Form des komische Rahmenbruchs ist der "performative
Widerspruch". Hier überlappen sich die semantische Ebene des propositional
Gesagten und die pragmatische Ebene des performativ Vollzogenen. Für den
Universalpragmatiker ist der performative Widerspruch ein "philosophischer
Skandal", denn er untergräbt den "verbindlichen Charakter"
stillschweigend als akzeptiert vorausgesetzter Normen: Die Bedingung der
logischen Widerspruchsfreiheit und die essentielle Gelingensbedingung der
"Ernsthaftigkeit". Die universalpragmatische Bedeutung der Regel vom
zu vermeidenden performativen Widerspruch liegt darin, daß sie "nicht nur
auf einzelne Sprechhandlungen und Argumente, sondern auf die argumentative Rede
im ganzen Anwendung finden kann".[67]
Dergestalt erneuert die Regel vom zu vermeidenden performativen Widerspruch den
Modus der transzendentalen Begründung mit sprachpragmatischen Mitteln. Wollte
man zum Beispiel leugnen, daß sich alles Denken auf die Voraussetzung des
Argumentierens und Kommunizierens stützt, müßte man einen performativen
Widerspruch begehen und behaupten: "Ich denke, es hat keinen Sinn zu
argumentieren, weil...". Hieraus folgt, daß man vernünftigerweise nicht
ernsthaft einen performativen Widerspruch begehen kann.
Im Gegensatz zu Apel und
Habermas geht Hans Lenk davon aus, daß pragmatische Paradoxien mitunter einfach
unumgänglich sind, da Sprechhandlungen "perspektivisch verschiedene, u.U.
gar hinsichtlich ihrer Wahrheit einander gegensätzliche relative
Deutungen" zulassen.[68] So
kann man dem, was man sagt, durch Gesten widersprechen und "sozusagen auf
der Metaebene der nichtverbalen Kommunikation die Botschaft des Gesprochenen
bewußt oder unbewußt aufheben".[69]
Performative Widersprüche und Handlungsparadoxien treten insbesondere in
psychologischen Zusammenhängen auf, nämlich in Form des double-bind.[70]
Etwa, wenn der Psychologe dem Patienten den Rat gibt: "Sie müssen lernen,
'nein' zu sagen". Worauf der Patient erwidert: "Nein". Dabei
widerspricht der propositionale Gehalt der Äußerung - das "Nein",
durch das die Forderung abgelehnt wird - der mit dem Äußern des Wortes
vollzogenen performativen Geste, die die Anweisung des Psychologen erfüllt. Auf
der Ebene des performativen Machens wird jene Forderung erfüllt, die auf der
Ebene des propositionalen Sagens abgelehnt wird. Neben der Möglichkeit unbewußt
und unvernünftig performative Widersprüche in Form des double bind zu
begehen, gibt es auch eine bewußte und vernünftige Form des performativen
Widerspruchs: die Ironie.
Die Ironie ist die
strategische Inszenierung eines performativen Widerspruchs: Die ironische
Äußerung impliziert einen Rahmenbruch und fordert damit einen Wechsel des Deutungsrahmens
heraus. Nach Freud besteht Ironie darin,
"das
Gegenteil von dem, was man dem anderen mitzuteilen beabsichtigt, auszusagen,
diesem aber den Widerspruch dadurch zu ersparen, daß man im Tonfall, in den
begleitenden Gesten, in kleinen stilistischen Anzeichen - wenn es sich um
schriftliche Darstellung handelt - zu verstehen gibt, man meine selbst das
Gegenteil der Aussage".[71]
Die Identifikation einer
ironischen Äußerung als "gewollter Störfaktor" setzt
"entsprechende Hypothesen des Hörers über die im Gesagten involvierten
Bezugssysteme des Sprechers voraus".[72] Da
es keine a priori festgelegte Typologie der "Ironiesignale"
gibt, können diese nur kontextuell erschlossen werden. Entscheidend für das
Verstehen einer ironischen Äußerung ist es, den Widerspruch als bewußte,
absichtliche Inszenierung zu erkennen, nämlich als inszenierten
performativen Widerspruch. Würde man die Äußerung als unfreiwilligen, genuinen
performativen Widerspruch deuten, so erschiene sie als Symptom diskursiver
Dummheit.[73]
Nach Grice ist eine
ironische Äußerung weder ein Sprechakt noch ein indirekter Sprechakt, sondern
eine "konversationelle Implikatur".[74]
Dabei orientieren sich Sprecher und Interpret zum einen am
"Kooperationsprinzip", demzufolge grundsätzlich ein "Wille zur
Verständigung" angenommen wird, zum anderen an den stillschweigend
akzeptierten "Konversationsmaximen": Wahrhaftigkeit, Kohärenz,
kontextuelle Relevanz und Verständlichkeit.[75]
Eine "konversationelle Implikatur" weicht absichtlich von diesen
Maximen ab, um sie sinnstiftend "auszubeuten", nämlich um etwas
"zu verstehen zu geben".[76] Da
diese "kreative Ausbeutung" in höchstem Maße kontextabhängig ist,
reicht es für das Erkennen einer "konversationellen Implikatur" nicht
aus die Gelingensbedingungen von Sprechakten zu kennen, sondern man muß auch
die tonale Qualität der Äußerung und die besonderen Umstände der Äußerung als
Informationsquelle nutzen. Im Anschluß an Grice sprechen Sperber und Wilson von
"kontextuellen Implikaturen", die als "kreative Ausbeutung"
eines allgemeinen "Principle of Relevance" aufgefaßt werden.[77]
Sind es in der Freudschen Definition der Ironie der "Tonfall", die
"begleitenden Gesten" oder die "stilistischen Anzeichen",
die als ironische Rahmungshinweise fungieren, so wird für Sperber und Wilson
die Tatsache, daß sich eine Äußerung mit Blick auf ihren Kontext als
"ludicrously inappropriate or irrelevant" erweist, zum ironischen
Implikatursignal.[78] Die
Irrelevanz einer Äußerung läßt sich daran erkennen, daß sie mit Blick auf den
gegebenen Kontext als nicht informativ (trivial) oder als nicht konsistent
(widersprüchlich) erscheint. Dieser Widerspruch betrifft auch die Relation
zwischen dem propositionalen Gehalt der Äußerung und ihrer tonalen
Äußerungsqualität. Mit anderen Worten: Bei einer ironischen Äußerung überlappen
sich die konventionalen performativen Gelingensbedingungen und die
kontextuellen performativen Verkörperungsbedingungen, so daß sie in einen
Widerspruch geraten.
Ein Beispiel für die
ironische Inszenierung solch eines performativen Widerspruchs liefert Robert
Gernhardt mit seinen Materialen zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform
italienischen Ursprungs, die er 1979 in der Rubrik "Hier spricht der
Dichter" im Zeitmagazin veröffentlichte.
Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut
hat, heut noch so'n dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut
darüber, daß so'n abgefackter Kacker
mich mittels seiner Wichserein blockiert
schafft in mir Aggressionen auf den Macker.
Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.[79]
Der "excess of
utterance" bzw. die "komische Fallhöhe" entsteht durch eine Form
des Überlappens, die den propositionalen Gehalt in Widerspruch zu den
performativen Verkörperungsbedingungen manövriert. Zum einen wird die
"hohe" Kunstform Sonett in einem "niederen" sprachlichen
Stil, nämlich im Szene-Jargon der frühen 80er Jahre, angegriffen. Zum anderen
wird der propositionale Gehalt - die Polemik gegen die Gedichtform Sonett -
durch eben diese Gedichtform performativ gerahmt: Ein ironischer performativer
Widerspruch, der durch die tonale Äußerungsqualität des Szene-Jargons noch
verstärkt wird. Die "Lust am Widerspruch", die Gernhardt als
Konstituente der Lust am Komischen sieht,[80] ist
hier Lust an einem doppelten performativen Widerspruch, der sowohl die
semantische als auch die semiotische Ebene betrifft und auf beiden Ebenen einen
komischen "excess of utterance" in Szene setzt.
Entscheidend für das
Verstehen einer ironischen Äußerung ist es, aus dem Kontext und der Qualität
der Äußerung Hinweise auf die intentionale Einstellung des Sprechers zu
erschließen. Sperber und Wilson fassen eine ironische Äußerung nicht als
"Ausdruck einer Überzeugung" über eine Tatsache, sondern als
"Erwähnung einer Überzeugung" auf.[81] Die
mit der ironischen Äußerung verbundene semantische Einstellung des Sprechers
ist also nicht die des Behauptens, sondern die des zitierenden Anführens.
Ironie wird zum Selbstzitat bzw., wie Sperber und Wilson es ausdrücken, zu
einer Form "echotischen Erwähnens" (echoic mentioning), der
jegliche illokutionäre Kraft fehlt.[82]
Sowohl die tonale Qualität einer Äußerung als auch ihre ostentative Irrelevanz
im gegebenen Kontext werden zu einer Art unsichtbarem Anführungszeichen, das
einen autoreflexiven Rahmenbruch signalisiert
Nicht nur für das
Verunglücken von conventional procedures, sondern auch für die Ironie
gilt: Sie ist eine Krankheit, der potentiell alle Äußerungen ausgesetzt sind.
Als "echotische Erwähnung" und "Selbstzitat" ist die Ironie
zudem ein Beispiel für jene "allgemeine Iterabilität",[83]
die nach Derrida die Dynamik der Sprache im Allgemeinen auszeichnet. Danach
kann jedes Zeichen "in Anführungszeichen gesetzt", bzw. auf andere
Kontexte aufgepfropft werden, nämlich "mit jedem gegebenen Kontext
brechen und auf absolut nicht sättigbare Weise unendlich viele neue Kontexte
zeugen".[84]
Mit Blick auf Sperber und Wilsons "Principle of Relevance" läßt sich
unschwer erahnen, daß der "Bruch" mit einem Kontext und die
Aufpfropfung auf einen anderen Kontext nicht nur als gewollte, ironische
Äußerung gelingen, sondern auch als ungewollt komische Äußerung mißlingen und
eben deshalb als "ludicrously inappropriate or irrelevant" erscheinen
kann.[85]
Derridas
Aufpfropfungsmodell wird im einen wie im anderen Fall zum nicht still zu
stellenden Motor für das Erzeugen komischer Effekte. Ein Beispiel für eine
komische Aufpfropfung liefert das folgende Arrangement zweier Goethe-Gedichte
mit dem Titel Und überhaupt von Robert Gernhardt und Peter Knorr:
Sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sah's mit vielen Freuden.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.[86]
Die
"Unterlage" dieser komischen Aufpfropfung sind die fünf Zeilen aus
dem Heidenröslein. Die letzten beiden Zeilen aus Wandrers Nachtlied
sind der "zitationelle Pfropfreis", der aus seinem ursprünglichen
Kontext herausgelöst und in das neue Syntagma "eingeschrieben" wurde.
Diese aufgepfropften Zeilen erfahren durch ihren Kontextwechsel eine
interpretative Neurahmung. Durch den Kontextwechsel ändert sich insbesondere
die Äußerungsbedeutung des "Ruhest du auch": Dieses ist keine
Ankündigung des einsamen Dahinscheidens mehr, sondern eine frivole Prognose
gemeinsamen Zu-Bett-Gehens. Mit anderen Worten: Das "Ruhest du auch"
erscheint in einem neuen interpretativen Licht. Auf die Äußerung wird, wie es
bei Jean Paul heißt, "der ästhetische Lichtschein eines neuen
Verhältnisses geworfen, indes unser Wahrheitgefühl" - respektive unsere
Erinnerung an das Gedicht Wandrers Nachtlied - "das alte
fortbehauptet".[87]
Durch diesen Zwiespalt "zwischen doppeltem Schein" wird der
"süße Kitzel" der komischen Empfindung erregt. Der "doppelte
Schein" auf das "Ruhest du auch" ist eine Überlappung in
Form der Überblendung: ein semantisch-pragmatisches "shade into one
another"[88]
von zwei Äußerungsbedeutungen.
Dieses komisch-ironische
"In-einem-anderen-Licht-Erscheinen" impliziert eben jenen
"Szenenwechsel", von dem Austin mit Bezug auf zitierte, ironisierte
und inszenierte Äußerungen spricht:
"Jede
Äußerung kann diesen Szenenwechsel ('sea-change') in gleicher Weise erleben.
Unter solchen Umständen wird die Sprache auf ganz bestimmte, dabei
verständliche und durchschaubare Weise unernst ('not seriously') gebraucht, und
zwar wird der gewöhnliche Gebrauch ('normal use') parasitär ausgenutzt. Das
gehört zur Lehre der Auszehrung ('doctrine of etiolations') der
Sprache. All das schließen wir aus unserer Betrachtung aus".[89]
Der Szenenwechsel (sea-change)
impliziert sowohl einen Lichtwechsel als auch einen Kontextwechsel. Der
englische Ausdruck "to etiolate" bedeutet, etwas durch Lichtmangel zu
bleichen, etwas zu "vergeilen" und dadurch zu "schwächen".
Der "unernste Gebrauch" schwächt die "illoktionäre Kraft"
des Sprechakts, nämlich den Geltungsanspruch des ernst Meinens, der die
Voraussetzung für den Verbindlichkeitscharakter der conventional procedures
ist. Eine nicht ernsthafte, intentionale Einstellung des Sprechers beim Vollzug
der conventional procedures führt einerseits zu einer
"illokutionären Entkräftung" der Äußerung, andererseits ist sie die
Voraussetzung dafür, daß die auf den neuen Kontext aufgepfropfte Äußerung dort
in anderer Weise "gebraucht" werden kann und dadurch eine
intentionale und interpretative Neurahmung erfährt. Die Aufpfropfung ruft
dabei, wie im Fall der Gedichtcollage von Knorr und Gernhardt, eine
überraschende, witzige Überlappung von widersprüchlichen Kontextbedeutungen
hervor. Die witzige Aufpfropfung ähnelt einem geschickten Schachzug. So schreibt
Jean Paul mit Blick auf den Witz: "Aber, Himmel, welche Spiele könnten wir
gewinnen, wenn wir mit unseren Ideen rochieren könnten!"[90]
Die witzige Aufpfropfung stellt als Ideen-Rochade neue, überraschende
Zusammenhänge her, indem sie weit auseinander liegende semantische und
pragmatische Kontexte auf überraschend einfache Weise assoziativ miteinander
verknüpft. Freud bemerkt in Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten,
die Witzlust scheine um so größer zu sein,
"je
fremder die beiden durch das gleiche Wort in Verbindung gebrachten
Vorstellungskreise einander sind, je weiter ab sie voneinander liegen, je
größer also die Ersparung an Gedankenweg durch technische Mittel des Witzes
ausfällt".[91]
Erscheint die Verbindung
zwischen den Vorstellungskreisen nicht als geschickter Schachzug, sondern als
unpassende Mesalliance, so wirkt sie ungewollt komisch. Das ungewollt Komische
kann mithin als lächerlich unpassende oder irrelevante Aufpfropfung bestimmt
werden, für die es keinen anderen Deutungsrahmung gibt als den, daß jemand
einen unglücklichen Fehler begangen hat. Aber worin besteht dieser
Unglücksfall? Bergson bestimmt in seinem Buch Le Rire das Komische als
bestimmte Form der Aufpfropfung, die einem verunglückten Akt der Verkörperung
geschuldet ist. Komisch wirkt laut Bergson die Überlagerung von etwas
Lebendigen durch einen "starren Automatismus". Dies betrifft
insbesondere die performative Verkörperungsbedingungen. Wird der lebende Körper
zur Maschine oder wird die Lebendigkeit des Körpers durch seine Stofflichkeit
überlagert, dann
"wird
der Körper für die Seele das, was das Kleid für den Körper war: unbeweglicher
Stoff, den man einer lebendigen Kraft aufpfropft. Und der Eindruck des
Komischen wird sich einstellen, sobald wir dieses Aufgepfropftsein deutlich als
solches empfinden".[92]
Mit anderen Worten:
Werden die performativen Verkörperungsbedingungen starr-automatisch erfüllt, so
löst dieser "excess of utterance" einen komischen Effekt aus.
Mit Blick auf die
Komiktheorien von Freud und Bergson läßt sich eine interessante Feststellung
treffen, die meines Erachtens für eine performative Theorie des Komischen von
Bedeutung ist. Beide interpretieren den komischen Effekt nicht als Folge einer
Abweichung von konventionalen Regeln, sondern als Abweichung von einem
ökonomischen Prinzip: Die "Ersparung" bei Freud ebenso wie der
"Automatismus" bei Bergson betreffen den performativen Aufwand,
mit dem Verkörperungs- und Gelingensbedingungen erfüllt werden. Dabei ist die
"Tendenz zur Ersparnis" für Freud die "analoge Formel" von
Witz, Komik und Humor:
"Die
Lust des Witzes schien aus dem erspartem Hemmungsaufwand hervor zugehen,
die der Komik aus erspartem Vorstellungs(Besetzungs) aufwand und die des
Humors aus erspartem Gefühlsaufwand. In allen drei Arbeitsweisen unseres
seelischen Apparats stammt die Lust von einer Ersparung".[93]
Die Freudsche
Ersparnistheorie synthetisiert die Inkongruenz- und die Überlegenheitstheorie
unter dem Vorzeichen des Ökonomieprinzips. Sie führt den komischen Effekt auf
den Vergleich des eigenen mit dem fremden Denk- und Handlungsaufwand zurück.
Ausschlaggebend ist dabei nicht der Kontrast, sondern der
"Niveauunterschied des Abstraktionsaufwandes":[94]
Der "komische Widerspruch" beruht auf einem Vergleich des eigenen
Vorstellungs- und Besetzungsaufwandes mit dem der anderen Person, die Lust am
Komischen verdankt sich einer Ersparnis an Vorstellungsaufwand. Dabei kommt es
für die komische Wirkung "nur auf die Differenz zwischen den beiden
Besetzungsaufwänden",[95] also
die "Aufwandsdifferenz" an. Komisch wirkt zum Beispiel nicht nur
allzu große Umständlichkeit, also ein Überschuß an Aufwand, sondern auch
"wenn
der andere sich Aufwand erspart hat, den ich für unerläßlich halte, denn Unsinn
und Dummheit sind ja Minderleistungen. Im ersten Falle lache ich, weil er es
sich zu schwer, im letzteren, weil er es sich zu leicht gemacht hat".[96]
Der Interpret, dem etwas
komisch vorkommt, wird vor dem Hintergrund einer beobachteten Aufwandsdifferenz
zur normbildenden Instanz. Sein Lachen wird zum "Ausdruck lustvoll
empfundener Überlegenheit"[97] und
zum perlokutionären Effekt einer interpretativ nachvollzogenen performativen
Aufwandsdifferenz. Antizipiert wird diese Einsicht, nämlich daß die performative
Aufwandsdifferenz das entscheidende Moment des Komischen ist, von Theodor
Lipps, der in Komik und Humor schreibt:
"Verspricht
jemand viel und leistet wenig, so wird eben durch die geringe Leistung unsere
Aufmerksamkeit erst recht auf die grossen Versprechungen hingelenkt".[98]
Die Minderleistung beim
Erfüllen eines Versprechens erregt Aufmerksamkeit, weil die darin zum Ausdruck
kommende Aufwandsdifferenz ein Symptom des Komischen ist. Der "glückliche
Vollzug" eines Versprechens hängt nämlich nicht nur von der korrekten und
vollständigen Erfüllung der Gelingensbedingungen ab, sondern auch von dem
Aufwand, der betrieben wird, um die Gelingensbedingungen zu erfüllen. Hieraus
folgt die meines Erachtens zentrale These einer performativen Theorie des
Komischen: Komik entsteht, sobald sich konventionale Unglücksfälle und
performative Aufwandsdifferenz überlappen.
Ein Beispiel hierfür ist
eine Szene aus Monty Pythons Flying Circus, die den Titel Encyclopedia
Salesman trägt. Ein gutgekleideter Mann geht zur Eingangstür einer
Appartementwohnung, klingelt und ruft: "Burglar!"
("Dieb!"). Er wartet, klingelt wieder und ruft: "Burglar!"
Hinter der Tür fragt eine Frau unwirsch: "What do you want?". Der
Mann gibt die überraschende Antwort: "I want to come in and steal a few
things, madam". Sie erwidert mißtrauisch: "Are you an encyclopedia
salesman?"
Er: "No madam, I'm a burglar. I burgle
people".
Sie: "I think you're an encyclopedia
salesman".
Er: "Oh I'm not, open the door, let me
in please".
Sie: "If I let you in, you'll sell me
encyclopedias".
Er: "I won't, madam. I just want to
come in and ransack the flat. Honestly".
Sie: "Promise. No encyclopedias?"
Er: "None at all".
Sie: "All right. (Sie öffnet die Tür)
You'd better come in then". (Er tritt ein)
Er: "Mind you I don't know whether
you've really considered the advantages of owning a really fine set of modern
encyclopedias... (Er stiehlt ein paar Wertsachen) You know, they can really do
you wonders".[99]
Was geht hier vor? Das
kommunikative Ziel des Enzyklopädienverkäufers ist es, seinen Beruf zu
verbergen, um in die Wohnung gelassen zu werden. Sonderbar sind die
Hintergrundsannahmen seiner Strategie: Zu behaupten, man sei ein Dieb, um nicht
für einen Enzyklopädienverkäufer gehalten zu werden, impliziert, daß es besser
sei zu stehlen als Enzyklopädien zu verkaufen. Betrachten wir die Szene unter
dem Aspekt der performativen Aufwandsdifferenz, so läßt sich
feststellen, daß der Enzyklopädienverkäufer sehr viel Aufwand betreibt, um die
Frau davon zu überzeugen, daß er kein Enzyklopädienverkäufer, sondern ein Dieb
ist. Die Frau begegnet dieser Strategie zunächst mit viel Mißtrauen (großer
Aufwand), das sich jedoch überraschend schnell zerstreuen läßt (geringer
Aufwand): Sie öffnet die Tür, weil sie dem Versprechen eines Diebs glaubt.
Damit macht sie es sich offensichtlich "zu leicht". Das heißt, sie
gerät in einen komischen inneren Widerspruch zu ihrer mit viel Aufwand
vorgetragenen, anfänglichen Abwehr: Entweder die Frau handelt in diesem Moment
entgegen ihrer Überzeugung oder sie ändert ihre Überzeugung aufgrund des
Versprechens eines vermeintlichen Diebs. Im ersten Fall handelt sie irrational,
im zweiten Fall handelt sie dumm.
Auch die Handlungsweise
des Enzyklopädienvertreters enthält einen komischen Widerspruch. Er gibt vor,
ein Dieb zu sein und verspricht, keine Enzyklopädien zu verkaufen. Dann bricht
er sein Versprechen, gibt sich als Enzyklopädienverkäufer zu erkennen und
beginnt ein paar Wertsachen zu stehlen. Das heißt, er führt eine Handlung aus,
die zwar im Rahmen seines Täuschungsmanövers sinnvoll wäre, nachdem er sich als
Enzyklopädienverkäufer geoutet hat, jedoch unsinnig ist. Der komische
Rahmenbruch führt zu einer komischen Überlappung zweier Skripte: Das
Skript: "Ich bin ein Enzyklopädienverkäufer und mache ihnen ein
Verkaufsangebot" wird vom obsoleten Skript "Ich bin kein
Enzyklopädienverkäufer, sondern ein Dieb, deshalb stehle ich ein paar
Wertsachen" überlappt. Dieses starre Festhalten an seiner Anfangsstrategie
erweist sich als komische Aufpfropfung einer Handlungsweise auf eine Situation,
die sich bereits geändert hat. Zugleich offenbart diese komische Aufpfropfung
eine performative Aufwandsdifferenz: Der Enzyklopädienverkäufer betreibt
einen Heuchelaufwand, der zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr nötig ist.[100]
Fassen wir zusammen: Das
Prinzip der performativen Aufwandsdifferenz betrifft die regulativen
Mechanismen psychischer und diskursiver Ökonomie beim Erfüllen von Gelingens-
und Verkörperungsbedingungen. Angesichts einer komischen performativen
Aufwandsdifferenz werden unsere Erwartungen bezüglich des Aufwands, der für
das Erfüllen von Gelingens- und Verkörperungsbedingungen unseres Erachtens
nötig ist, enttäuscht. Die, wie es bei Kant heißt, "plötzliche
Verwandlung" unserer Erwartung "in nichts" löst Lachen aus.[101]
Die plötzliche Verwandlung bewirkt einen komischen Rahmenbruch, der
durch einen ökonomischen "excess of utterance" ausgelöst wird. Dies
betrifft auch den Aufwand beim Erfüllen jenes Sinnversprechens, das jeder Text
implizit gibt. Anschaulich wird dies anhand der folgenden Geschichte, die den
Titel Sancho Pansa trägt und einem Aufsatz Walter Benjamins über Franz
Kafka entstammt:
"In
einem chassidischen Dorf, so erzählt man, saßen eines Abends zu Sabbat-Ausgang
in einer ärmlichen Wirtschaft die Juden. Ansässige waren es, bis auf einen, den
keiner kannte, einen ärmlichen, zerlumpten, der im Hintergrunde im Dunkeln
einer Ecke kauerte. Hin und her waren die Gespräche gegangen. Da brachte einer
auf, was sich wohl jeder zu wünschen dächte, wenn er einen Wunsch frei hätte.
Der eine wollte Geld, der andere einen Schwiegersohn, der dritte eine neue
Hobelbank, und so ging es die Runde herum. Als jeder zu Worte gekommen war,
blieb noch der Bettler in der dunklen Ecke. Widerwillig und zögernd gab er den
Fragern nach: 'Ich wollte, ich wäre ein großmächtiger König und herrschte in
einem weiten Lande und läge nachts und schliefe in meinem Palast und von der
Grenze bräche der Feind herein und ehe es dämmerte wären die Berittenen bis vor
mein Schloß gedrungen und kein Widerstand gäbe es und aus dem Schlaf
geschreckt, nicht Zeit mich auch nur zu bekleiden, und im Hemd, hätte ich meine
Flucht antreten müssen und sei durch Berg und Tal und über Wald und Hügel und
ohne Ruhe Tag und Nacht gejagt, bis ich hier auf der Bank in eurer Ecke
gerettet angekommen wäre. Das wünsche ich mir.' Verständnislos sahen die andern
einander an. 'Und was hättest du von diesem Wunsch?' fragte einer. - 'Ein Hemd'
war die Antwort".[102]
Der performative
Aufwand, den diese Geschichte im Hinblick auf ihre Länge und ihre
Ausführlichkeit betreibt, steht in keinem angemessenen Verhältnis zu dem
einfachen Wunsch, den sie zum Ausdruck bringen soll. Gleiches gilt für den
Aufwand an Aufmerksamkeit, die diese Geschichte den Hörern und Lesern
abverlangt. Die Pointe dieser Geschichte besteht in der plötzlichen Verwandlung
einer gespannten Erwartung in fast Nichts: immerhin geht es um ein Hemd und
damit um Verkörperungsbedingungen im wahrsten Sinne des Wortes. Die mißlichen
Verkörperungsbedingungen des in Lumpen gehüllten Erzählers werden durch den übergroßen
Aufwand, den er beim Hervorbringen der Wortkörper betreibt, verdeckt. Damit
gerät diese Geschichte in ein merkwürdiges Spannungsverhältnis zu Searles
Beispiel vom German Officer: Während wir im Fall des Bettlers darüber
lachen, daß er es sich (und uns) bei der Formulierung seines Wunsches nach
einem Hemd so schwer gemacht hat, lachen wir über den Amerikaner, weil er sich
beim Versuch, den Italiener zu übertölpeln einen Heuchelaufwand erspart hat,
den wir für unerläßlich halten: Seine Uniform auszuziehen, bevor er
"Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn?" sagt. In beiden Fällen
tritt eine performative Aufwandsdifferenz zu Tage. Eben hierin liegt
meines Erachtens die zentrale Einsicht, von der jede performative Theorie des
Komischen auszugehen hat: daß die komische Abweichung von der Regel nicht mehr
primär als Verstoß gegen die Gelingensbedingungen interpretiert wird, sondern
auch und vor allem als Verstoß gegen die Verkörperungsbedingungen - und zwar
beides Mal im Sinne der performativen Aufwandsdifferenz.
PD Dr. Uwe Wirth, Zentrum für
Literaturforschung, Berlin
[1] Eine Druckfassung findet sich in: Performativität,
hg. v. Jens Kertscher und Dieter Mersch, Fink Verlag 2003, S.153-174.
[2] Gernhard, Robert: Was gibts denn da
zu lachen? Zürich 1988, S.449.
[3] Vgl. hierzu Wirth, Uwe: Der
Performanzbegriff im Spannungsfeld von Illokution, Iteration und Indexikalität,
in: ders. (Hg.) Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und
Kulturwissenschaften, Frankfurt 2002, S.10ff.
[4] Austin, John Langshaw: How to do
Things with Words, Cambridge Massachusetts 1975, S.14f.; Austin: Zur
Theorie der Sprechakte, Stuttgart 1979, S.37.
[5] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.30.
[6]
Austin: Zur Theorie der Sprechakte, S.37; vgl. im Original: Austin: How
to do Things with Words, S.14f.
[7]
Austin: How to do Things with Words, S. 31.
[8] Chomsky, Noam: Aspekte der
Syntax-Theorie, Frankfurt 1972, S.14f.
[9] Vgl. Krämer, Sybille: Sprache,
Sprechakt, Kommunikation, Frankfurt 2001, S.53.
[10] Vgl. Fischer-Lichte, Erika:
"Grenzgänge und Tauschhandel. Auf dem Weg zu einer performativen
Kultur", in: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und
Kulturwissenschaften, hg. v. Uwe Wirth, Frankfurt 2002, S.277-300, hier
S.299.
[11] Krämer, Sybille: "Sprache - Stimme
- Schrift: Sieben Thesen über Performativität und Medialität", in: Paragrana
7, Kulturen des Performativen, hg. v. Erika Fischer‑Lichte und
Doris Kolesch, Berlin 1998, S.33-57, S.43.
[12] Vgl. Searle, John: "Eine Taxonomie
illokutionärer Akte", in: Ausdruck und Bedeutung. Frankfurt 1982, S.17-50, S.8f.
[13]
Searle, John: "Literary theory and its discontents", in: New
Literary History 25 (1994), S.637-667, S.642f.
[14]
Peirce, Charles Sanders: Collected Papers of Charles Sanders Peirce,
Band I-VI, hg. v. Charles Harsthorne und Paul Weiss, Harvard University Press:
Cambridge, Mass. 1931-1935, zitiert wird nach Band und Abschnitt in
Dezimalnotation: CP 5.568, Meine Übersetzung.
[15]
Peirce: CP 4.537.
[16]
Bachtin, Michail: "Methodology for the Human Science", in: Speech
Genres & other late Essays, hg. v. Caryl Emerson und Michael Holquist. University of Texas Press 1992,
S.159-172, S.164 (meine Übersetzung).
[17] Vgl. Kotthoff, Helga: Spaß Verstehen.
Zur Pragmatik von konversationellem Humor, Tübingen 1998, S.203.
[18] Searle, John: "Was ist ein
Sprechakt", in: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und
Kulturwissenschaften, hg. v. Uwe Wirth. Frankfurt 2002,
S.83-103, hier S.92f.
[19] Vgl.
Paul Grice, "Meaning", in: Studies in the Way of Words.
Cambridge, London: Harward University Press 1991, S.213-223, hier S.217.
[20]
Felman, Shoshana: The Literary Speech Act. Don Juan with J.L. Austin, or
Seduction in Two Languages, Ithaca 1983, S.113.
[21] Vgl. hierzu Bachtin, Michail: Rabelais
und seine Welt, Frankfurt 1987, S.359. Mit Blick auf das Problem der
Performanz relevant ist auch Velten, Hans Rudolf: "Komische Körper: Zur
Funkttion von Hofnarren und zur Darstellung des Lachens im
Spätmittelalter", in: Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XI,
(2001), S.292-317, hier S.293f.
[22]
Felman: The Literary Speech Act, S.112.
[23] Vgl.
Felman: The Literary Speech Act, S.73.
[24] Krämer: Sprache, Sprechakt,
Kommunikation, S.146.
[25]
Felman: The Literary Speech Act, S.113.
[26] Vgl.
Felman: The Literary Speech Act, S.129: "[...] both the theoretical
school derived from Austin and the occasional criticism directed against him
have paid attention only to what he says, not what he does. It
has thus been possible to criticize Austin for defending the values of
'seriousness,' to reproach him in particular for his theoretical
exclusion of joking or play from his philosophy of the performative".
[27]
Felman: The Literary Speech Act, S.118.
[28] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.41.
[29] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.43.
[30] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.38.
[31] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.39.
[32] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.39.
[33] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.39.
[34]
Austin: How to do Things with Words, S.17
[35]
Austin: How to do Things with Words, S.24.
[36]
Austin: Zur Theorie der Sprechakte, S.44, Austin: How to do Things
with Words, 23.
[37] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.45 Fn13.
[38] Austin: Zur Theorie der Sprechakte, S.41.
[39] Derrida, Jacques: "Signatur
Ereignis Kontext", in: Limited Inc, Wien 2001, S.15-45, hier S.36.
[40] Derrida: "Signatur Ereignis
Kontext, 2001, S.36.
[41] Vgl. Goffman, Erwing: Rahmen-Analyse.
Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrung, Frankfurt 1996,
S.57.
[42] Kant, Immanuel: Schriften zur
Anthropologie. Werkausgabe Band 12, hg. v. W. Weischedel. Frankfurt 1977,
S.537f.
[43] Vgl. Freud, Sigmund: "Der Witz und
seine Beziehung zum Unbewussten", in: Studienausgabe Band IV.
Psychologische Schriften, Frankfurt 1970, S.15, der sich, von Jean Pauls
Definition des Witzes ausgehend, auf Lipps bezieht.
[44] Wittgenstein, Ludwig: Tractatus
logico-philosophicus. Tagebücher 1914-1916. Philosophische Untersuchungen.
Werkausgabe Band 1. Frankfurt 1984,S.250.
[45] Vgl. Kotthoff: Spaß Verstehen. Zur
Pragmatik von konversationellem Humor, S.201.
[46] Jean Paul: "Vorschule der
Ästhetik" (1804), in: Werke Bd. 9, hg. v. Norbert Miller, München
1975, S.173.
[47] Austin: Zur Theorie der Sprechakte,
S.45, Fn.13.
[48] Menke, Bettine: "Jean Pauls Witz.
Kraft und Formel", in: DvjS 76. Jahrgang, 2002, S.201-213, hier S.202.
[49] Kant, Immanuel: Kritik der
Urteilskraft, Werkausgabe Band 10, hg. v. W. Weischedel. Frankfurt 1974,
S.180. Vgl. auch Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, wo wiederholt von
der "transzendentalen Subreption" die Rede ist, wobei "alle
Fehler der Subreption" als "Mangel der Urteilskraft" gefaßt
werden, die niemals dem Verstande oder der Vernunft zuzuschreiben. (Vgl. Kant,
Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, Werkausgabe Band 3 u.4, hg. v. W.
Weischedel. Frankfurt, S.564). Die der "Mangel an Urteilskraft"
zugleich Definiens der Dummheit ist, wird die Subreption gewissermaßen zu einer
transzendentalen Dummheit. Zur Relevanz des Begriffs der Dummheit für
eine Theorie des Komischen vgl. Wirth, Uwe: Diskursive Dummheit. Abduktion
und Komik als Grenzphänomene des Verstehens, Heidelberg 1999, S.2ff. und S.97f.
[50] Vgl. Wellbery, David: "Die Enden
des Menschen. Anthropologie und Einbildungskraft im Bildungsroman", in: Das
Ende. Figuren einer Denkform, hg. v. Karlheinz Stierle und Rainer Warning,
München 1996, S.607 (fn).
[51] Encyclopédie, Stichwort
"Assoziation", Bd. 1, (1751), S.771.
[52] Jean Paul: Vorschule der Ästhetik,
S.173ff.
[53] Vgl.
Raskin, Victor: Semantic Mechanisms of Humor, Dordrecht, Boston,
Lancaster 1985, S.98.
[54] Vgl.
Raskin: Semantic Mechanisms of Humor, S.114: "Many jokes contain an
element which triggers the switch from the one script evoked by the text to the
joke to the opposed script, the switch which makes up the joke".
[55] Vgl. Assmann, Aleida: "Im Dickicht
der Zeichen. Hodegetik - Hermeneutik - Dekonstruktion", in: Deutsche
Vierteljahres Schrift, 70 (1996), S.535-551, hier S.537, sowie Goffman: Rahmen-Analyse,
S.472.
[56] Goffman: Rahmen-Analyse, S.57.
[57] Goffman: Rahmen-Analyse, S.420
und S.537.
[58] Goffman: Rahmen-Analyse, S.474.
[59] Gernhardt: Was gibts denn da zu
lachen? S.456.
[60] Eco,
Umberto: "The Comic and the Rule", in Faith in Fakes. London
1986, S.269-278, hier S.272.
[61] Eco,
Umberto: "Frames of comic 'freedom'", in: Carnival!, hg. v. T.
Sebeok. Berlin 1984, S.1-9, hier S.4.
[62] Eco:
"Frames of comic 'freedom'", S.6.
[63] Eco:
"The Comic and the Rule", S.273.
[64] Kotthoff: Spaß Verstehen. Zur
Pragmatik von konversationellem Humor, S.231.
[65] Raskin: Semantic Mechanisms of Humor,
zit. nach Kotthoff: Spaß Verstehen. Zur Pragmatik von konversationellem
Humor, S.49.
[66] Vgl. Kotthoff: Spaß Verstehen. Zur
Pragmatik von konversationellem Humor, S.49.
[67] Habermas: Moralbewußtsein und
kommunikatives Handeln, S.91. Nach Habermas tritt ein performativer
Widerspruch dann ein, "wenn eine konstative Sprachhandlung ´Kp´ auf nicht
kontingenten Voraussetzungen beruht, deren propositionaler Gehalt der
behaupteten Aussage ´p´ widerspricht" (S.90). Vgl. auch Apel, Karl Otto: Transformation
der Philosophie, Bd. 2, Franfkurt 1976, S.400-411., sowie Gebauer, Richard:
"Jürgen Habermas und das Prinzip des zu vermeidenden performativen
Widerspruchs", in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, Heft 2
(1993), S.23-39.
[68] Lenk, Hans: Prometheisches
Philosophieren zwischen Praxis und Paradox, Stuttgart 1991, S.89.
[69] Lenk: Prometheisches Philosophieren
zwischen Praxis und Paradox, S.89.
[70] Vgl. George Bateson: Geist und Natur.
Eine notwendige Einheit, Frankfurt 1982, S.247. Dort wird der double bind
als Sprung zwischen zwei logischen Ebenen gefaßt.
[71] Freud: "Der Witz und seine
Beziehung zum Unbewussten", S.163.
[72] Warning, Rainer:"Ironiesignale und
ironische Solidarisierung", in: Das Komische, hg. v. W. Preisendanz
und R. Warning, München 1976, S.416-422, hier S.420.
[73] Vgl. Wirth: Diskursive Dummheit.
Abduktion und Komik als Grenzphänomene des Verstehens, S.237ff.
[74] Vgl. Grice, Paul: "Logik und
Konversation", in: Handlung, Kommunikation, Bedeutung, hg. von G.
Meggle. Frankfurt, S.243-265, hier: S.254f.
[75] Grice: "Logik und
Konversation", S.250.
[76] Grice: "Logik und
Konversation", S.256.
[77]
Wilson, Deirde und Dan Sperber: "Loose Talk", in: Pragmatics. A
Reader, hg, v. Steven Davies, New York, Oxford, Oxford University Press
1991. S.540-549, hier S.549.
[78]
Wilson, Deirde und Dan Sperber: "Irony and the Use-Mention
Distinction", in: Pragmatics. A Reader, hg. v. Steven Davies, New
York, Oxford, Oxford University Press 1991. S.550-563, hier S.559.
[79] Gernhardt, Robert: Letzte Ölung, Wie
es anfing, Zürich 1988, S.233.
[80] Der komische Blick ist, wie
Gernhardt in Was gibts denn da zu lachen? schreibt, jener, "der aus
allen Widersprüchen nicht Erkenntnis, sondern Lust gewinnt" (S.462). Zwar
ist der komische Blick "auf Blicke erster und ernster Hand angewiesen,
auf Gebote, Gesetze, Gebräuche, auf jene Deutungen und Zielsetzungen also, die
die widersprüchliche Natur des Menschen in den Griff zu kriegen trachten; doch
da alle diese Griffe den Widerspruch nicht lösen, sondern lediglich
kanalisieren, schaffen gerade sie jene ganz willkürlich gezogenen Grenzen, die
zu übertreten Lust macht, Lust in Form von Sex, Lust in Form von Phantasien,
Lust in Form von Komik. Natürlich: Auch die Übertreter unterliegen früher oder
später dem Gesetz, nach dem die Kanalisatoren angetreten sind. Auch sie
ihrerseits werden gebändigt, zunutze gemacht und für das Überleben der Art in
Dienst genommen: durch ritualisierte Eingemeindung in die Hochkultur"
(ebd.).
[81]
Wilson und Sperber: "Irony and the Use-Mention Distinction", S.554.
[82]
Wilson und Sperber, "Irony and the Use-Mention Distinction", 555f.
[83] Derrida: "Signatur Ereignis
Kontext", S.40.
[84] Derrida: "Signatur Ereignis
Kontext", S.32.
[85]
Wilson und Sperber: "Irony and the Use-Mention Distinction", S.559.
[86] Eckhard Henscheid und F.W.Bernstein, Unser
Goethe, Zürich 1982, S.303.
[87] Jean Paul: Vorschule der Ästhetik,
S.173ff.
[88] Austin: Zur Theorie der Sprechakte, S.44.
[89] Austin: Zur Theorie der Sprechakte, S.43f, vgl. Austin: How to do
Things with Words, S.22.
[90] Jean Paul: Vorschule der Ästhetik,
S.200.
[91] Freud: "Der Witz und seine
Beziehung zum Unbewussten", S.114.
[92] Bergson, Henri: Das Lachen. Ein Essay
über die Bedeutung des Komischen. Darmstadt 1988, S.40.
[93] Freud: "Der Witz und seine
Beziehung zum Unbewussten", S.219.
[94] Freud: "Der Witz und seine
Beziehung zum Unbewussten", S.196.
[95] Freud: "Der Witz und seine
Beziehung zum Unbewussten", S.182.
[96] Ebd.
[97] Ebd.
[98] Lipps, Theodor: Komik und Humor. Eine
Psychologisch-ästhetische Untersuchung. Hamburg und Leipzig 1898, S.74.
[99] Monty
Python's Flying Circus, Just the Words. Vol.1,
London 1989, S.65f.
[100] Vgl.
hierzu Austin: "Pretending", in: Philosophical Papers, Oxford
1961, S.207. Austin erwähnt
bei seiner Untersuchung der verschiedenen Möglichkeiten des "So tun als
ob" auch den Dieb, der vorgibt die Fenster zu putzen, um eine Gelegenheit
auszuspähen, Wertsachen zu stehlen. Dabei kann es durchaus vorkommen, daß der
Dieb tatsächlich die Fenster putzt, weil er vorgibt "nur" die Fenster
zu putzen, während er diese Tätigkeit "in Wirklichkeit" nur deshalb
ausübt, weil er Wertgegenstände ausspähen möchte. Das Beispiel dies encyclopedia
salesman ist die auf den Kopf gestellte Variante dieses Beispiels.
[101] Kant, Immanuel: Kritik der
Urteilskraft. Werkausgabe Band 10, hg. v. W. Weischedel. Frankfurt S.272.
[102] Benjamin, Walter: Gesammelte
Schriften. Band II,2, hg. v. R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser. Frankfurt
1977, S.433.